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Das Büro als Therapiepraxis? Private Probleme im Beruf

Sascha Grosskopf

Senior Manager, Field Marketing EMEA at Cornerstone OnDemand

Welche Faktoren spielen bei der Stellensuche für Bewerber eine Rolle? Spannende Tätigkeiten, nettes Team, gutes Gehalt. Zweifelsfrei alles Dinge, die bei der Jobsuche Beachtung finden. Doch fast noch mehr als das alles zusammen – vor allem bei jüngeren Berufseinsteigern – wird auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance geachtet. Klingt gut, lässt sich in der Praxis aber bekanntlich nicht immer so einfach realisieren. Die Folge: unzufriedene, geschlauchte Mitarbeiter, deren Motivation nachlässt und die im schlimmsten Fall die Stimmung ihrer Kolleginnen und Kollegen direkt mit runterziehen. Umso mehr haben Unternehmen in den letzten Jahren daran gearbeitet, durch den Arbeitgeber verursachte psychische Belastungen so gering wie möglich zu halten und Betroffenen Hilfestellungen anzubieten. Schulungen zum Stressmanagement, Gemeinschaftssport im Büro oder Arbeitszeitflexibilisierung sind nur drei Beispiele für Maßnahmen, dem Stress vorzubeugen und den Kopf auch bei hohem Arbeitsaufwand freizubekommen. Doch was, wenn statt dem „Work-“ plötzlich der „Life-Anteil“ die Balance zum Kippen bringt?

Die Rede ist von privaten Problemen, die in den Arbeitsalltag Einzug halten. Ein Phänomen, dem bisher wenig Beachtung geschenkt wird. Schließlich gehen die meisten Arbeitgeber davon aus, dass ihre Angestellten Privates und Berufliches voneinander trennen können. Doch bei Ratsuchenden, die aufgrund psychischer Belastungen am Arbeitsplatz professionelle Hilfe aufsuchen, stehen häufig Beziehungsprobleme an erster Stelle – und somit ein privates Problem, dessen Ursachen nicht beim Arbeitgeber zu finden sind. Gemeint sind natürlich keine Banalitäten, sondern ernste Schwierigkeiten wie Krach in der Ehe oder Probleme mit Schulden. Kritisch wird das Ganze besonders dann, wenn betroffene Angestellte nicht mehr die von ihnen erwartete Leistung bringen können. Wenn sie sich verschließen, dem Kunden gegenüber unfreundlich werden oder wichtige Projekte gefährden.

Sicher, solch extreme Fälle stellen die Ausnahme dar, doch der Umgang mit psychisch belasteten Kollegen fällt vielen Bürogenossen schwer – zumal jeder anders mit privaten Problemen umgeht. Die einen wenden sich unter Tränen an ihre Arbeitskollegen, klagen ihr Leid gerne auch mehrfach in verschiedenen Abteilungen, schildern jedes noch so private Detail. Andere gehen nicht aktiv auf ihre Kollegen zu. Sie signalisieren durch ihre Körpersprache, dass etwas nicht stimmt und erwarten, angesprochen zu werden. Und wiederum andere ziehen sich komplett zurück und möchten am liebsten gar nicht mehr kommunizieren. Eine Belastung für die Bürogemeinschaft. Doch was tun?

Viele kämpfen im Fall privater Probleme, vor allem bei Beziehungschaos, mit einem angeknacksten Selbstbewusstsein und hegen Zweifel an ihrer eigenen Persönlichkeit. Hier kann die Arbeit sogar helfen, wieder auf die Beine zu kommen: das Büro als Therapiepraxis. Lob der Kollegen und Bestätigung von Vorgesetzten können wahre Wunder bewirken und den „Patienten“ neu beflügeln. Wohl dosiert, versteht sich, und möglichst ohne Begleitphrasen wie „Wird schon wieder werden.“ Doch auch der Betroffene selbst kann dazu beitragen, sich selbst im Arbeitsalltag wieder aufzupäppeln – indem er sich mit seinen privaten Problemen den Kollegen nicht zu sehr aufdrängt und im Vorfeld überlegt, was er wirklich preisgeben möchte.

Problematischer wird es, wenn die psychische Belastung so groß ist, dass die Bewältigung der alltäglichen Arbeit nicht mehr realistisch erscheint. Dann wird die Einweihung der Vorgesetzten unumgänglich. Und da auch Chefs nur Menschen sind, kann man durchaus auf Verständnis hoffen. Meistens gibt es genug Handlungsspielräume. Natürlich setzt ein solches Szenario ein gewisses Vertrauensverhältnis zu den eigenen Vorgesetzten voraus.

Verschließt sich der Problem-Kollege dagegen komplett, ist die Sensibilität der Führungsebene gefragt. Wenn ernstzunehmende Auswirkungen zu beobachten sind, sollte sie sich einschalten. Für viele Chefs stellt das nach wie vor einen Tabubruch dar, gilt doch das Privatleben der Angestellten als Sperrzone. Dabei geht es gar nicht darum, private Probleme der Kollegen zu lösen. Vielmehr sollten sie angeleitet werden, in Eigenregie für eine Besserung ihrer Situation zu sorgen. Sozusagen ein Stupser in die richtige Richtung. Denn im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht sollten Führungskräfte durchaus ein Interesse daran haben, Mitarbeiter in Krisensituationen zu entlasten und so eine positive Grundstimmung im Unternehmen aufrechtzuhalten.

Der Umgang mit privaten Problemen am Arbeitsplatz stellt also für alle Beteiligten eine komplizierte Gradwanderung dar: für die Betroffenen selbst, für ihre Kolleginnen und Kollegen und für die Vorgesetzten. Normalerweise sollte man charakterliche Eigenschaften der Menschen, mit denen man tagtäglich zusammenarbeitet, kennen oder zumindest einschätzen können. Über diese Analyse kann das Büro helfen, private Probleme durch den Arbeitsalltag wieder auszugleichen. Dabei sollte klar sein, dass Unternehmen nicht verantwortlich für das Lösen privater Probleme der Mitarbeiter sind. Wohl aber sind sie verantwortlich, mögliche Auswirkungen dieser Probleme auf Kollegen, Kunden oder das Image zu verhindern. Deshalb gilt für die Chefetagen: Im Ernstfall einen Schritt in das Privatleben psychisch belasteter Angestellter wagen, um am Ende zu viel „Life“ auf der „Work-Seite“ zu verhindern.

Dann klappt’s auch wieder mit der Balance.

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