Im Juni war es wieder einmal soweit. Zahlreiche Unternehmen nutzten den alljährlichen Pride-Monat, um sich als Unterstützer der LGBT-Community zu präsentieren. Ein wahrer Tsunami an Rainbow-Fahnen sowie farbenprächtiger Marken-Logos wurde auf die Konsumenten losgelassen. Aber auch beim Employer-Branding setzen viele Firmen zunehmend auf demonstrative Vielfalt. Auf diese Weise möchte man sich als aufgeschlossener Arbeitgeber präsentieren, um attraktiv für queere High Potentials sowie andere Minderheiten zu sein. Doch zu oft klaffen Anspruch und Realität weit auseinander. Wer einfach nur Rainbow-Flaggen auf seine Produkte klebt, Vielfalt im eigenen Unternehmen aber nicht wirklich lebt und kein überzeugendes Diversity Management vorweisen kann, handelt sich schnell den Vorwurf ein, einfach nur Pinkwashing zu betreiben.
Standen Sie schon mal vor einem schwulen Geldautomaten oder einem Regal mit Pride Sneakers? Wenn ja, dann haben sie vielleicht bewußt oder unbewußt die Grauzone zwischen gelebter Solidarität und peinlichem Marketing bereits mit eigenen Augen sehen dürfen. Denn mit Regenbogen und reichlich schrillem Blingbling dekorierte in Australien vor fünf Jahren eine Bank ihre Geldautomaten und nannte sie auch dazu noch GAYTM. Sofort gab es in den sozialen Medien aufgeregte Debatten darüber. Zwar erhielt das Geldinstitut durch diese Aktion viel Aufmerksamkeit. Doch zugleich gab es deutliche Kritik. Man instrumentalisiere den Kampf um gleiche Rechte doch nur, um mehr Umsatz zu generieren, hieß es. Kurzum, das Ganze sei Pinkwashing. Und auch die Anbieter von Sneakers mussten sich diese Anschuldigung gefallen lassen. Denn die Regenbogen auf der Sohle, den Schnürsenkeln oder als Muster auf den Schuhen sind nicht selten mit einem heftigen Aufpreis verbunden. Zudem gibt es sie zumeist nur während der Pride-Saison. Das wiederum ließe den Verdacht aufkommen, dass den Herstellern queere Anliegen in der restlichen Zeit des Jahres eigentlich ziemlich egal sind. Selbst Spenden an LGBT-Organisationen konnten diese Vorwürfe nicht entkräften. All das zeigt, dass man beim Pride-Marketing eine Menge falsch machen kann.
Die Vermischung von Kommerz und politischem Engagement ist ohnehin ein strittiges Thema in der LGBT-Szene. Die Tatsache, dass mittlerweile zahlreiche Unternehmen eigene Wagen auf die Christopher Street Day-Paraden schicken oder als Kooperationspartner auftreten, wird nicht unbedingt von allen gleichermaßen begrüßt. Der Verdacht: Den Unternehmen ginge es weniger um Toleranz und Gleichberechtigung, sondern vor allem um Kommerz. Schließlich gilt die schwul-lesbische Kundschaft als besonders kaufkräftig und konsumfreudig, weshalb das alles viel mit Anbiederung zu tun habe. Zudem hat die demonstrative Solidarität mit der LGBT-Community auch auf andere Konsumentengruppen einen positiven Effekt. So erklären laut einer Studie von Community Marketing & Insights 78 Prozent der Befragten, dass sie eher die Produkte eines Unternehmens kaufen, das sich für Gleichberechtigung einsetzt. Deshalb sind Glaubwürdigkeit und Transparenz ganz wesentliche Aspekte.
Auf diesen Feldern zu punkten, ohne gleich des Pinkwashings beschuldigt zu werden, genau das ist Barilla gelungen. Der Fall des Nudelherstellers ist deshalb so bemerkenswert, weil Konzernchef Guido Barilla noch 2013 für einen Skandal gesorgt hatte, als er sich in einem Interview gegen den Auftritt von Homosexuellen in Werbespots für seine Pasta ausgesprochen hatte. Barilla galt damit schlagartig als homophober Konzern, es hagelte Boykotte. Um dieses Image-Desaster wieder zu korrigieren, unternahm die Geschäftsführung eine 180-Grad-Wende, die mehr beinhaltete als eine Entschuldigung des Chefs sowie Werbespots mit Drag Queens. Als erste Maßnahme wurde ein Chief Diversity Officer in die Organisation berufen. Seine Aufgabe war es, dafür zu sorgen, dass Diskriminierungen gegen Frauen, ethnische und sexuelle Minderheiten im Konzern unmöglich wurden. Offensichtlich mit Erfolg. Im Human Rights Equality Index, eine Art Gleichstellungs-Barometer, erreicht Barilla nun regelmäßig die höchstmögliche Punktzahl und gilt heute international bei dem Thema Diversity als vorbildlich. Und das Beste: Von Pinkwashing redet dabei Niemand.
In Deutschland gibt es seit 2019 den von der Uhlala Group erstellten DAX 30 LGBT+ Diversity Index, der anhand eines Katalogs von Kriterien zeigt, wie gut oder schlecht die 30 größten an der Frankfurter Börse notierten Unternehmen eine Kultur der Diversity und Gleichstellung leben. Geprüft werden dabei, wie queere Themen in der internen und externen Kommunikation behandelt werden und ob es dazu Schulungen und die Sensibilisierung der Mitarbeiter gibt. Dass die Defizite auf diesem Gebiet hoch sind, belegt eine aktuelle Studie der Boston Consulting Group. Von rund 4.000 befragten Berufstätigen in 20 Ländern gaben hierzulande nur 37 Prozent der LGBT-Talente an, am Arbeitsplatz ihre sexuelle Orientierung offenzulegen – im internationalen Vergleich das Schlusslicht. Darüber hinaus gibt es das LGBT+ Arbeitgebersiegel für Diversity Champions in Deutschland, das Mitarbeitern, Investoren oder Kunden ein Bild darüber vermittelt, wie offen und wertschätzend Unternehmen sich gegenüber queeren Menschen verhalten, sowie die alljährliche LGBT-Jobmesse „Sticks & Stones“, die sich gezielt an diese Zielgruppe als potenzielle Mitarbeiter richtet. Nicht nur Startups präsentieren sich dort, sondern auch Konzerne wie Google, Amazon oder Porsche, sogar das Bundeskriminalamt. Mit Pinkwashing hat das wenig zu tun, viel eher mit dem Mangel an Fachkräften.
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